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Ich hatte es schon lange vor:

 

Mein Traum war eine Paddeltour dort wo meine Wurzeln liegen, nämlich in der Masuren-Seenplatte im ehemaligen Ostpreußen, aber aufgrund der doch großen Entfernung musste letztendlich Mecklenburg-Vorpommern herhalten.

Ursprünglich wollte ich eine geführte Paddeltour machen, aber dann entschloss ich mich, dieses Wagnis erstmals alleine einzugehen. 

Nationalpark-Tours  buchten mir zwei Hotels, organisierten über Paddel-Paul ein Kajak und stellten mir Kartenmaterial mit                                                       Tourenvorschlägen zur Verfügung.

 

                                                      Es war also angerichtet...

 

 

 

 

Bewaffnet mit literweise Mückenschutz, einem von meiner Freundin geliehenem Strohhut gegen die berüchtigte subtropische MeckPommer´sche Sonne, guter Laune und jeder Menge Neugier im Gepäck habe ich mich auf die spannende Reise in die Welt der See- und Fischadler, Fischreiher sowie Otter und Kaulquappen begeben, wild entschlossen, den Gesetzen der Natur zu trotzen.

Ich hatte ja noch keine Ahnung, was die Natur so mit mir vorhatte.

 

Isch bin dann ma wech

Paddeln auf der Klein-Seen-Platte in Mecklenburg-Vorpommern

 

Tag 1:

Mirow,  ein kleines malerisches Nest, hat mich bei schönstem Wetter und strahlendem Sonnenschein empfangen. Das Hotel war super, die Menschen sehr freundlich und offen und das Essen – na ja, für einen angehenden Naturburschen einfach nur dekadent und lecker. So lässt es sich in der Wildnis doch aushalten.

 

     

 

Tag 2:

Als Mitglied einer kleinen siebenköpfigen Gruppe (eine Frau mit ihrem 14-jährigen Sohn, ein junger Mann mit seiner etwa zehnjährigen Tochter, einem etwas älteren Ehepaar aus Chemnitz und ich) wurden wir um 9:30 Uhr von Paddel-Paul abgeholt und nach Zietlitz - nördlich von Mirow - gebracht.

 

Ausgerüstet mit einem himmelblauen Einer-Kajak, einem Paddel (gute Idee), einer Schwimmweste, einem wasserdichten Packsack für überlebenswichtige Dinge wie Handy und Fotoapparat, einem Spritzschutz (wofür braucht man bei strahlendem Sonnenschein denn so etwas?) sowie jede Menge neuem Wissen über Paddelkunde wurde ich sodann auf den Leppinsee entlassen.

 

Nach einigen nicht wirklich geübten und wohl etwas heftigen und unrunden Paddelschlägen wurde mir der Sinn eines Spritzschutzes durchaus klar, aber ich paddelte frohen Mutes durch den See und einem kleinen Kanal in den Woterfitzsee, wo ich gekonnt wendete und mich auf den Weg in Richtung Mirow machte. Dort befand sich auch für diese Nacht mein Schlafdomizil.

Was ich dann zu sehen bekam war malerisch. Mein Kajak glitt durch ein Seerosenparadies und ich entdeckte die erste Silhouette eines Adlers. Nur einige Minuten später kreiste sogar ein Adlerpärchen über mir. Leider waren sie zu weit weg, um sie zu fotografieren.

Die Fotos werden der Schönheit dieser Landschaft kaum gerecht.

 

 
   
   
   

 

 

Nach ca. 15 km und gut drei Stunden Nonstop-Paddeln musste ich noch den Mirowsee durchqueren und durfte noch erste Erfahrungen mit Motorbooten und ihrem Wellengang sammeln. So eine Plastikschüssel schaukelt ja ganz schön bedenklich.

Am hoteleigenen Steg angekommen stand ich vor der nächsten Aufgabe: Das kippelige Kajak auf der richtigen Seite zu verlassen und nicht im Wasser zum landen. Unter tosendem Beifall einiger Hotelgäste schälte ich mich so filigran wie möglich aus dem Kajak und rollte mich geschickt auf dem Holzsteg ab.

Wow - was für ein schöner Start.

Was wohl der nächste Tag für mich bereit hielt?

 

Tag 3:

Heute ging es von Mirow nach Canow, wo unsere nächste Übernachtungsstation im Gasthaus Peters war. Um den Transfer unseres Gepäcks kümmerten sich die Hotels. Als Gegenleistung erklärten wir uns nur zu gerne bereit, die Kajaks durch einen langgezogenen Kanal, durch den ganzen Zotzensee, dann wieder durch einen Kanal in den Mössen- und Vilzsee zu bugsieren. Gegen Ende unserer heutigen Tour mussten wir uns noch mit diversen Motorbooten um Plätze in einer Schleuse streiten, was wir aufgrund der Wendigkeit der Kajaks und unserer Geschicklichkeit mit Bravour meisterten. Von dort gelangten wir in den Labussee und schließlich nach Canow. Am Ende der Tour hatten wir dann erneut ca. 15 Km zurückgelegt.

 

Diese Tour war nicht so schön wie die gestrige. Das lag einerseits daran, dass viele Motorboote unterwegs waren, was mit viel Wellengang und Schaukeln verbunden war und andererseits, dass wir eben einige Seen durchqueren mussten. Das bedeutete weniger malerische Ufer mit spannender und schöner Tier- und Pflanzenwelt, dafür ganz viel Wasser um uns herum. Dennoch hielt diese Paddeltour für mich eine Überraschung der besonderen Art und Qualität bereit.

 

Die Wetter-App verkündete mir gegen Mittag – genau genommen ab ca. 13 Uhr – ein erhöhtes Gewitterrisiko. Genau aus diesem Grund habe ich mich bereits gegen 10 Uhr ins Kajak geschwungen in der Hoffnung, dass ich vor dem Gewitter in Canow ankommen würde. Diese Hoffnung wurde, als ich ca. 200 Meter vor dem Zootzensee war, also noch im Kanal steckte, durch ein erstes, aber ernst zu nehmendes Grollen zunichte gemacht. Als dem Grollen auch rasch erste Blitze folgten, wurde ich dann doch nervös und suchte ich mir in der Böschung einen geeigneten Parkplatz, um das Gewitter auszusitzen. Ich manövrierte das Kajak unter Bäume, die vom Ufer über das Wasser ragten und mir, so hoffte ich zumindest, ausreichend Schutz bieten sollten. Ich hielt mich an Ästen fest, die teilweise aus dem Wasser ragten, damit ich nicht wieder auf den Kanal getrieben werde.

"Das kann ja nicht so lange dauern", dachte ich mir. "Höchstens eine halbe Stunde. Das halte ich locker aus." Nebenbei machte ich mir noch Gedanken, wie ich das Kajak nach dem Gewitter wieder aus dem Gestrüpp manövrieren sollte. 

 

Soweit mein Plan, aber das Leben ist nun einmal nicht planbar und spielt uns manchmal eben auch einen Streich. 

 

Während sich Starkregen über mich ergoß, hielt ich mich krampfhaft an den Ästen fest, damit mich die für ein Gewitter üblichen Windböen nicht aus meinem Schutz wehten. Als ich bemerkte, dass es völlig windstill war, habe ich zwar meinen Griff gelockert und meine Hände und Arme etwas entkrampft, hatte aber auch schlagartig Klarheit, dass das Gewitter über mir stand und sich Zeit lassen würde. Und so wartete ich. Und wartete. Und wartete.

 

Der Regen prasselte unaufhörlich - das Wasser suchte sich seinen Weg. Zunächst sickerte es durch Lücken meiner Regenjacke, die die Wassermassen aber schließlich nicht mehr aufhalten konnte und das Wasser nahezu ungefiltert auf meine Haut durchließ. In kürzester Zeit war ich durch und durch nass und saß fast wie in einer Badewanne. Gottseidank war es wenigstens warm.

 

Irgendwann ließ der Regen etwas nach und das Grummeln und Donnern verabschiedete sich allmählich, doch als ich gerade wieder auf das Wasser wollte, kündigte sich das nächste Gewitter an und ergoss sich über mich. War ich bis dahin nur komplett nass, so fühlte ich mich jetzt als Bestandteil des Wassers selbst. Natürlich hätte ich auch auf den See hinaus paddeln und damit meinem Elend ein Ende setzen können, aber bei den Blitzen und Donnern hätte ich dann wahrscheinlich nicht mehr diesen Reisebericht schreiben können.

 

Und dann - mitten im Regen - tauchte er plötzlich auf... Er kam mich besuchen, als wolle er mir Gesellschaft leisten: 

   

Ich weiß nicht wer du   bist, mein Freund, aber danke, dass du mit mir gewartet hast. Du hast mir geholfen wahrzunehmen und zu erkennen, dass Zeit in diesem Moment überhaupt keine Rolle   spielt. Du kennst kein Zeitgefühl. Zeit war heute das Unwichtigste überhaupt. Genau das möchte ich in                                                                 meinen Alltag mitnehmen.

 

Er setzte sich mir gegenüber auf den einzigen blattlosen Ast und wartete gemeinsam mit mir das Gewitter ab. Auf dem etwas unscharfen Bild mag er wie eine Taube aussehen, aber tatsächlich war er ein Raubvogel. Später sagten mir einige "Einheimische", dass er von der Größe her ein Seeadler gewesen sein könnte. Als sich das Grollen und letztendlich auch der Regen endgültig verabschiedet hatten, bedankte ich mich bei meinem neuen Freund und paddelte weiter Richtung Canow. Vor mir lagen noch 3 Paddelstunden. Später, als ich endlich trocken und entspannt im Hotel saß, stellte ich bei Betrachtung der Fotos fest, dass ich das Bild gegen 13 Uhr gemacht hatte. Ich hatte also tatsächlich drei Stunden in der Böschung festgesessen. Was für eine besondere und spannende Erfahrung, auch wenn ich auf eine Wiederholung nicht sonderlich scharf bin.

 

Am Ende sind alle Gruppenmitglieder gut im Hotel angekommen. Mutter und Sohn hatten Glück und landeten rechtzeitig an einem Campingplatz an, das ältere Ehepaar kam unbeschadet durch das Gewitter und Vater und Tochter hatten die Zeit vertrödelt und sind deshalb erst nach dem Gewitter losgefahren.

 

Tag 4:

Nachdem ich 2 Tage lang Arme und Schultern malträtiert hatte, entschied ich mich, heute mal die Beine zu trainieren und zu wandern. Ich verbrachte viel Zeit alleine an einem herrlich grünen Seeufer und sinnierte über den Sinn des Seins und bin durch Wälder gelaufen. Während ich tiefer in den Wald ging, kam mir schon mal der Gedanke, dass es hier auch Wildschweine geben könnte, die in Begleitung von Frischlingen (in dieser Zeit nicht unüblich) auch sehr humorlos sein können. Nach meiner Rückkehr wurde mir bestätigt, dass es in dieser Gegend vor Wildschweinen nur so wimmelt. Glücklicherweise ist mir buchstäblich keine Sau begegnet.

Das Alleinsein mit mir und der Natur habe ich in vollen Zügen genossen.

 

   
   

Ich seh dich…

Ich seh dich nicht …

 

 

   

 

Tag 5:

War heute tatsächlich schon mein letzter Tag? Die letzte Gelegenheit, entweder zu wandern oder zu paddeln. Oder eben beides. Unschlüssig wie ich war, ging ich zunächst wieder in "meinen" Wald und zu "meinem" See, aber dann zog es mich doch auf das Wasser.

 

Durch den Labussee gelangte ich in einen traumhaft schönen Kanal (Dollbek). Durch den Gobenowsee ging es in den Klenzsee und wieder zurück.  Insgesamt wurden es noch einmal um die 14 km.

Heute war es recht windig, was man an Land und im Dollbek kaum, aber dafür auf den Seen um so deutlicher zu spüren bekam. Es war schon ein seltsames Gefühl, alleine in einer Plastikwanne mitten auf dem See hin- und her zu schaukeln und das Paddeln war auch anstrengend.

Der Dollbek hat mich dann für die Mühe entschädigt:

 

   
   
   
 

 

 

Tja, das war´s schon

 

Es war eine unglaubliche Zeit und wertvolle Erfahrung. Sei es das Alleinsein mit mir auf dem Wasser, im Gewitter oder im Wald und am See. Auf der anderen Seite waren da abends die wundervollen Gespräche mit Gruppenmitgliedern, anderen Gästen oder den Wirten und Mitarbeitern des Gasthauses Peters.

Dennoch ist es auch schön wieder zu Hause zu sein.                                                                                     

 

   

Aber ganz ehrlich?

 

In Gedanken sitze ich im Kajak und paddel neuen Abenteuern entgegen ...